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Philharmoniker Depot

16.08.13 Goldpreis: Spotpreis oder reale, physische Nachfrage - was zählt?

von Andr Doerk ...Wie so häufig im Leben werden an der Börse gewisse Tatsachen gar nicht mehr hinterfragt, sondern als selbstverständlich akzeptiert. Neuerdings gehören auch sehr fragwürdige Wechselwirkungen dazu, wie z.B. dass es die Marktteilnehmer erfreut, wenn schlechte Wirtschaftszahlen veröffentlicht werden. Schließlich steigen damit die Chancen auf eine Fortsetzung der ultra-lockeren Geldpolitik. Es gibt jedoch auch nachvollziehbare Zusammenspiele, wie zum Beispiel das von sinkenden Anleihezinsen und steigenden Aktienkursen.

Auch die Tatsache, dass der Goldpreis gerecht nach Angebot und Nachfrage über den Spotmarkt ermittelt wird, wurde bis vor kurzem nicht hinterfragt. Angesichts der jüngsten Entwicklungen und der immer größeren Diskrepanz zwischen Spotmarkt und physischer Nachfrage muss nun aber die Frage erlaubt sein: Wo entscheidet sich denn nun eigentlich, welche Musik gespielt wird? Und welche Faktoren sind dafür verantwortlich?

Gold-Nachfrage aus ETF-Investments: Wirklich wichtig oder nur wichtig gemacht?

Bis vor einiger Zeit stellte sich diese Frage vermutlich nicht einmal, denn ETF-Nachfrage und physische Nachfrage nach Münzen und Barren entwickelten sich im Gleichschritt. Doch diese Einheit scheint unwiderbringlich zerstört: Während die ETF-Investment-Nachfrage rückläufig ist - seit Quartalsbeginn sind erneut fast 100 Tonnen abgeflossen - zeigt sich die physische Nachfrage nach wie vor sehr robust. Ein Widerspruch? Ein Kampf zwischen langfristig orientierten Anlegern und kurzfristigen Spekulanten? Mitnichten, ETFs besitzen eigentlich nur Relevanz für die europäischen und amerikanischen Anleger, denn nur diese sind tatsächlich in nennenswertem Ausmaß in ETFs investiert.

Die wachsende Investmentnachfrage nach Gold über ETFs stammt hauptsächlich aus Nordamerika und derselbe Markt ist nun quasi im Alleingang auch für den jüngsten Nachfrage-Rückgang verantwortlich.

Doch angesichts eines durchschnittlichen Nachfrageanteils von 6,5% in den letzten drei Jahren an der gesamten Goldnachfrage könnte man eigentlich meinen, dass die von Gold-ETFs verursachten Nachfrageveränderungen vernachlässigt werden könnten. Dem ist aber nicht so: Kaum ein Analyst kommt in seinen Prognosen und Marktberichten ohne eine Betrachtung der Goldzu- und -abflüsse in ETFs aus und auch die Future-Händler messen diesem Indikator hohe Bedeutung bei.

Ein nicht zu verleugnender Einfluss auf den Spotpreis scheint also durchaus gegeben - wenngleich Gold-ETFs in Asien so gut wie keine Relevanz zu besitzen scheinen und wie gesagt die Investmentnachfrage aus ETFs mit 6,5% doch sehr überschaubar ist. Trotz dieser Widersprüche wird sich an dieser Betrachtungsweise vermutlich so schnell nichts ändern, so lange der Gold-Spotpreis in der westlichen Hemisphäre und in US$ gebildet wird.

Enormer Nachfragezuwachs aus Asien - Europa und Nordamerika schwächeln!

Dass die Preisbildung aber auf ewig in London stattfinden muss, diese Regelung ist mit Sicherheit nicht in Stein gemeißelt - und auch leichter zu kippen, als die Kursstellung in US$. Insbesondere dann, wenn die Nachfrage sich weiter so deutlich und rasant nach Asien verschiebt, wie zuletzt im ersten Quartal 2013.Europa und die USA kommen da nämlich gerade einmal auf einen Anteil von 10% an der gesamten physischen Goldnachfrage, bestimmen aber nach wie vor die Preise über den Terminmarkt. Während hingegen China, Indien und Ostasien zusammen genommen bereits für fast 70% der gesamten physischen Nachfrage stehen. Addiert man den Nahen Osten und die Türkei hinzu kommen noch einmal 9% dazu.

Der neue, langfristig orientierte Investor sitzt offenbar nicht in den USA oder dem „aufgeklärten" Europa - er sitzt in Asien! Ich finde es traurig, dass hierzulande die ständige Krise die Leute offensichtlich schon dermaßen abgestumpft hat, dass die latente Gefahr nicht mehr als solche wahrgenommen wird. Wie ein Frosch im Kochtopf, in dem das Wasser langsam erhitzt wird...

Chinesen machen Gold-Kauflust nicht von unseren Leitzinsen abhängig!

Wenn rund 72% der Goldnachfrage physischer Natur (Barren, Münzen, Schmuck) ist und die physische Nachfrage zu annähernd 80% aus Asien stammt, muss die Nachfrage erlaubt sein: Interessieren sich die dortigen Käufer überhaupt für die hiesige Zinsentwicklung oder die Leitzinsen in den USA? Immerhin gilt der Realzins doch als DER bestimmende Faktor schlechthin für den Goldpreis. Die logische Antwort kann nur lauten: Natürlich nicht. Aber ist dies wirklich wichtig?

Was uns doch wirklich interessiert, ist die Frage: Wonach bildet sich der Goldpreis denn nun wirklich? Betrachten wir überhaupt noch die richtigen Indikatoren? Es kommt drauf an...Und zwar kommt es darauf an, welchen Markt Sie betrachten wollen. Physischer Markt und Terminmarkt funktionieren nicht mehr im Gleichklang und werden dies wohl auch bis auf weiteres nicht mehr tun.

Betrachten Sie den Papiermarkt mit seinen ETF-Papieren und den Terminpreisen, dann haben die Zu- und Abflüsse in den ETFs, wie bereits oben angedeutet, durchaus noch ihre Relevanz. Gleiches gilt auch für die Entwicklung der westlichen Realzinsen, da der Spotpreis bei uns ins US$ gebildet wird. Auf die physische Nachfrage haben diese Faktoren aber, wenn überhaupt, nur einen verschwindend geringen Einfluss.

Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul!

Wie aber kann diese Diskrepanz bestehen? Wie können zwei Märkte (Spot- bzw. Terminmarkt und physischer Markt) koexistieren, ohne dass eine Annäherung stattfindet? Wenn man die jüngste physische Nachfrage-Zunahme als Gradmesser nimmt, ist der aktuelle Spotpreis wohl „zu günstig", ansonsten wäre nicht eine solche Zunahme zu verzeichnen gewesen. Da die Asiaten aber vor allem als Käufer auftreten, genießen sie und schweigen. Kennen Sie auch nur einen Käufer, der sich über einen zu günstigen Preis beschwert hätte? Ich nicht. Der niedrige Spotpreis wird also gerne mitgenommen, anstatt dagegen anzugehen.

Verlierer sind somit nicht die Käufer, die günstiger zum Zuge kommen. Verlierer sind vor allem die Produzenten, welche ihre Produktion zu Spot(t)preisen verkaufen müssen. Verlierer sind demzufolge auch die Aktionäre, denen mögliche Zusatzgewinne durch die Lappen gehen.

Das Spiel kann noch eine Weile so weiter gehen...

Da physische Käufer und die Papierhändler in friedlicher Ko-Existenz leben, sehe ich auch keinen Grund, warum sich der Status Quo kurzfristig ändern sollte. Ich lese immer wieder: Die hohe physische Nachfrage muss zwangsweise zu einem höheren Spotpreis führen...Nein, muss sie nicht. Mein einziges Zugeständnis wäre, dass am Spotpreis bereits die Grenzen des Möglichen ausgelotet wurden. Einen Absturz auf beispielsweise 800 US$ kann ich mir nicht vorstellen, da zu diesem Preis wohl nur noch ein Bruchteil der physischen Nachfrage befriedigt werden könnte. Wenn aber zu einem gegebenen Preis plötzlich kein Angebot mehr vorhanden ist, kann etwas am Preis nicht stimmen. Der „Konsum" aus der DDR lässt grüßen. So weit wird es also meiner Meinung nach nicht kommen. Einen plötzlich steigenden Spotpreis sehe ich aber auch nicht, so lange sich Papier-Trader und physische Käufer auf dem Rücken der Produzenten arrangieren können.

Lohnt es da überhaupt noch Goldaktien zu kaufen?

Der Gedanke, diesem Markt einfach fernzubleiben, liegt sicherlich nahe. Dies wäre meiner Ansicht nach allerdings ein grober Fehler. Nach unten sehe ich das Preispotenzial nahezu ausgereizt, jeder weitere Rücksetzer würde wohl zu einem überproportionalen Anstieg der physischen Nachfrage führen. Nach oben besteht darüber hinaus weiter ein enormes Potenzial, weil eine solche Diskrepanz zwischen Nachfrage und Preis langfristig natürlich korrigiert werden wird und nicht ewig fortbestehen kann. Sollte zudem auch in den USA oder in Europa die Angst vor der Krise wieder auflodern, würde dies mit Sicherheit auch wieder zu einer steigenden ETF-Nachfrage führen, was sich unmittelbar positiv auf den Spotpreis auswirken würde. Nutzen Sie daher die Chance, zu den aktuell günstigen Kursen, die besten Produzenten günstig zuzukaufen!

Herzliche Grüße

Andr Doerk

Chefredakteur Rohstoff Investor

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Quelle: http://www.investor-verlag.de

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