04.12.15 Nahe der 1000-Dollar-Marke!

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Hat Gold als Sicherheitsreserve ausgedient? Diese Frage stellt sich Melchior Poppe von Focus Money. Gold gilt als Krisenwährung in Zeiten großer Unsicherheit. Und als Inflationsschutz, wenn Papiergeld seinen Wert verliert. Beide Regeln gelten aktuell nicht mehr, immer mehr Vermögensverwalter reduzieren den Anteil des Edelmetalls in ihren Depots.

2011 kostete eine Feinunze Gold mehr als 1900 US-Dollar – so viel wie nie zuvor. Es war das dritte Jahr nach der Finanzkrise, die die Notenbanken mit Unmengen von Geld zugeschüttet hatten. Die Geldentwertung schien nur eine Frage der Zeit, mancher fürchtete eine grassierende Inflation.

Doch auf den Rekord folgte die Ernüchterung: Unaufhörlich taumelt der Goldpreis seither nach unten, beinahe zehn Prozent hat das Edelmetall in diesem Jahr an Wert eingebüßt. Allein im November fiel der Preis für eine Feinunze um 7,5 Prozent auf 1052 Dollar – der größte Monatsverlust seit mehr als zwei Jahren. In Euro gerechnet kostet Gold damit zeitweilig weniger als 1000 Euro, Dienstagabend waren es genau 1005 Euro je Feinunze.

Und das ausgerechnet im Krisenjahr 2015! IS-Terror, Syrien-Krieg, zuletzt die Feindseligkeiten zwischen Russland und der Türkei. Dazu das Börsendesaster in China, Russland und Brasilien in der Rezession – und Millionen Flüchtlinge in Europa und vielen anderen Teilen der Welt. Ist das nicht Unsicherheit genug?

Was passiert, wenn die USA den Leitzins erhöhen?

Trotzdem scheint ein Ende des Preisverfalls nicht in Sicht. Ein Faktor der Rekordpreise von 2011 waren Sorgen um den Euro. Doch jetzt zweifelt kaum noch jemand am Kapitalmarkt daran, dass die Währung überleben wird.

Noch besser stehen die USA da. Sie haben die letzte große Krise längst überwunden. Inzwischen sieht es ganz danach aus, dass die US-Notenbank zum Jahresende nach langem Zögern endlich den Leitzins anheben wird, weil die Wirtschaft dafür stabil genug ist.

Und wer will dann noch Gold? Es wirft keine Zinsen oder Dividenden ab. Und der Abstand zu Festzinsanlagen wird 2016 noch größer werden, weil auf die erste Leitzinserhöhung sicher weitere folgen werden. Gold droht somit auf Jahre unattraktiv zu bleiben. Als Anlageform sowieso, und auch als Sicherheitsreserve. Denn von einer stark anziehenden Inflation ist derzeit weit und breit nichts zu sehen.

Die Profis reagieren bereits: Umfragen zeigen, dass Vermögensverwalter den Gold-Anteil in ihren Portfolios bereits zurückgefahren haben. Kaum einer will im Ernstfall ganz darauf verzichten, aber der vermeintlich sichere Hafen war für die Rendite zuletzt mehr Klotz am Bein denn Ausgleich. Auch aus den großen ETF-Goldfonds, deren Wert stur dem Goldpreis folgt, wurden Milliarden abgezogen. Dieser Abfluss hat den Kurssturz zeitweise verstärkt. Denn wenn die Anleger Geld sehen wollen, müssen die ETFs ihr physisches Gold verkaufen. Das drückt den Preis.

Goldminen unter Druck

Dass sich auf absehbare Zeit nicht viel ändern wird, haben die Investoren auch in die Aktien der großen Goldproduzenten eingepreist. Deren Kurse sind im vergangenen Jahr fast ausnahmslos gefallen, zum Teil noch drastischer als der Goldpreis selbst. Und das, obwohl sie die Fördermengen zum Teil erhöht haben, um den gestiegenen Bedarf zu decken.

Denn vor allem die Deutschen kaufen mehr Gold denn je: Degussa Goldhandel etwa erwartet für 2015 in Deutschland einen rund 15 Prozent höheren Absatz von Goldbarren und Münzen als im Vorjahr. Tendenz steigend.

"Nichts, was für ein Comeback notwendig ist"

Die Erwartungen für die Zukunft des Goldmarktes sind also alles andere als rosig. Ist ein Fall unter die Marke von 1000 Dollar nur noch eine Frage der Zeit? „Wir sehen selbst auf diesem Mehrjahrestief keine echten Zeichen einer Erholung“, sagte David Govett, Leiter für Edelmetalle beim Londoner Händler Marex Spectron, der Nachrichtenagentur Bloomberg. „Es gibt zwar etwas physische Nachfrage, aber nichts von der Größe, die für ein Comeback des Goldpreises notwendig sind“. Nach einem Bericht des "Handelsblatts" gehen zahlreiche Analysten tatsächlich von einem Sturz deutlich unter 1000 Dollar aus.

Der Gold-Boom während der Finanzkrise hat aber auch gezeigt: Im Falle wirklich schwerwiegender und ernster Krisen hat Gold noch lange nicht ausgedient. Und selbst wenn die Goldpreisbindung längst Geschichte ist, setzen auch die Notenbanken weiterhin auf goldene Notanker: Ein großer Teil ihrer Währungsreserven besteht aus Gold. Russland etwa hat seine Reserven zuletzt sogar aufgestockt.

"Gold erfüllt sehr deutlich eine Funktion als Krisenwährung "

Wolfgang Wrzesniok-Roßbach, Geschäftsführer der Degussa Goldhandel, glaubt überdies, dass zumindest für deutsche Privatanleger ein Investment in Gold durchaus Sinn macht. "Es dient indirekt als Absicherung gegen den Verfall des Euros und unterstreicht damit seine Funktion als Vermögensversicherung.“

Das gelte nicht nur für große Schocks auf den Finanzmärkten, „sondern auch in einem eher ruhigen Umfeld, das aus diversen Gründen von Währungsschwankungen geprägt ist", sagt der Goldexperte. Denn zwischen den Notenbanken zeichnet sich ein Währungskrieg um die schwächste Exportwährung ab. Die EZB wird voraussichtlich am Donnerstag mit neuen Geldspritzen die nächste Runde einläuten.

Sowohl in der Finanzkrise als auch später bei Ausbrechen der Eurokrise sei die Nachfrage durch deutsche Anleger sprunghaft angestiegen, sagt der Degussa Goldhandel-Chef. „Dann tritt der Aspekt der Krisenwährung und Vermögensversicherung wieder deutlich zu Tage.“

"Preis in Dollar für deutsche Anleger irrelevant"

Es werde hierzulande "viel zu sehr auf die Goldkursentwicklung in Dollar geschaut", warnt Wrzesniok-Roßbach. Diese sei aber für 95 Prozent der deutschen Anleger irrelevant. „Entscheidend ist der Kurs in Euro“, so Wrzesniok-Roßbach. Und wenn der Euro fällt und der Goldpreis nicht, gewinnt der Bestand deutscher Goldbesitzer an Wert. Daher sei ein absehbarer Anstieg des Dollars zwar negativ für den Dollar-Gold-Preis, „aber positiv für den Euro-Gold-Preis."

Unabhängig davon sprächen weitere Faktoren für eine künftig zumindest stabilere Entwicklung des Goldkurses: "Das Aufkommen an Altgold ist rückläufig, die Minenproduktion wird - nach dem leichten Anstieg der letzten Jahre - durch den Preisrückgang eher wieder stagnieren und langfristig fallen“, sagt der Degussa-Chef. Zudem hätten sich die massiven Verkäufe der Gold-ETFs abgeschwächt. „Auch die Schmucknachfrage steigt in einigen Märkten und die physische Anlage in wichtigen Märkten bleibt hoch." Finanzpolitische Unsicherheiten in vielen Ländern und handfeste wirtschaftliche Krisen etwa in China, Brasilien oder Russland täten ihr Übriges.

Eine der optimistischsten Goldpreis-Prognosen stammt – auch nicht ganz uneigennützig – von Uwe Bergold, Partner beim Edelmetallhändler Pro Aurum. Er bekräftigte im Gespräch mit FOCUS-MONEY seine Prognose, dass der Preis für eine Feinunze bis 2020 bei 5000 US-Dollar stehen wird.

Dieser Bericht wurde nicht geprüft. Für Richtigkeit der Angaben übernimmt Silbernews keine Haftung.
Quelle: https://gold.bullionvault.de